Frauenkirche Dresden


Frauenkirche
Heute wird die Frauenkirche in Dresden geweiht. Das „Wunder von Dresden“ ist die derzeit beliebteste Zeile in Zeitungen und Fernsehsendungen. Und sie stimmt.

Frauenkirche 1990

1990. Mein erster Besuch in Dresden, zwei Wochen nach der so genannten Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion. Viele neue Eindrücke in einer irgendwie fremden Welt – einer davon: Ein Trümmerberg mitten in der Stadt. Die Menschen nehmen ihn nicht wahr, sie gehen dran vorüber. Dabei gibt es zu diesem Zeitpunkt schon eine Gruppe von Dresdnern, die den Wiederaufbau der Frauenkirche diskutieren…
1992 am 13. Februar sollte ich das erste Mal erleben, wie die Dresdner den Tag der Bombardierung durch über tausend Flieger aus den USA und Großbritannien begehen. Sie kamen – freiwillig, ohne Druck und Organisation – mit Kerzen und Blumen an die Ruine. Viele Menschen, große Stille. Es war beeindruckend, und nicht wenige sagten damals: Die Ruine muss so bleiben, als Mahnung gegen den Krieg. Das war auch meine Meinung – denn warum sollte man eine Kirche aufbauen, in die sowieso keiner gehen würde? Tausende von Sitzplätzen – für wen? Sogar der damalige evangelische Landesbischof Johannes Hempel war dagegen!
1994. Am 27. Mai beginnt nach der Phase der Aufräumung (archäologische Enttrümmerung sagen die Fachleute) der Wiederaufbau der Frauenkirche. Die Befürworter sind immer noch nicht in der Mehrheit. Ludwig Güttler, Weltklasse-Trompeter, hatte über den Beginn des Wiederaufbaus einmal gesagt: „90 Prozent waren dagegen, zehn dafür – und die letzte Zahl ist noch geschönt!“ Doch die Aufräumarbeiten, später die wachsende Kirche, stimmt die Gemüter um. Heute sind wohl nahezu alle der Meinung, schon immer dafür gewesen zu sein…
Wie auch immer: Die Baustelle strahlt Faszination aus. Es gibt eine Frauenkirchen-Uhr (made in Pforzheim – in Glashütte hatte sich offensichtlich keiner gefunden), es gibt Förderkreise (bei dem in Ladbergen mische ich mit), es gibt Stifterbriefe: Geld kostet so ein Bau, und Geld wird allerorten gesammelt.

Bruecke bauen

Und die Kirche wächst. Jahr um Jahr mehr – Gerüste! Denn gebaut wird hinter Gittern, was den Anblick nur bedingt schön erscheinen lässt, aber so sind die Bauleute weitgehend unabhängig vom Wetter. Diese Ansicht mit Wetterschutzdach hatte eine nette Idee, die ich zusammen mit dem Bäcker Dietrich Grundmann entwickelt hatte, ein wenig torpediert: Wir wollten jedes Jahr einen Stollenkarton mit dem aktuellen Stand der Frauenkirche anbieten – eine Edition, die mitwächst. Irgendwann stellten wir fest, dass Baustellenbilder mit einer verkleideten Aufbaukirche nicht wirklich schön sind und haben es sein gelassen.
2000 war die Kirche zwar bereits schon auf etwa 30 Meter Höhe angewachsen – aber sie hatte eben erst ein Drittel der 90 Meter erreicht, die sie zum architektonisch dominaten Gebäude in der Elblandschaft bei Dresden machen.
Im August 2001 kam der tonnenschwere Schmetterlingsstein zurück an seinen alten Platz – eine der vielen Herausforderungen für die Beteiligten und einer der zahlreichen Momente, wo sie an den Baumeister Bähr und seine Bauleute dachten… Doch auch 2001 war die Kirche noch nicht wirklich nett anzusehen – sie wuchs auf beachtliche Höhen, ein Großplakat am Gerüst illusionierte das spätere Aussehen. Ein Hingucker war die Kirche natürlich dennoch – und der ebenfalls angebrachte Spruch „Brücken bauen, Versöhnung leben“ ist zeitlos gut.

Turmkreuz der Frauenkirche

Das Turmkreuz zum Beispiel entstand in England – gestaltet vom Sohn eines der Bomberpiloten, finanziert vom Dresden Trust – einer britischen Stiftung zum Wiederaufbau der Frauenkirche. Lange wird das Kreuz auf ebener Erde am Fuße der Frauenkirche stehen, so dass man sich die Meisterarbeit von Alan Smith ansehen kann. Es sei sein Beitrag zum Wiederaufbau – „just to say sorry“. Am 22. Juni 2004 wurde es dann mitsamt der Haube auf die Laterne gehoben – einer der vielen Großereignisse, das Tausende von Dresdnern zu ihrer Frauenkirche pilgern ließ.
Spannend für Dresdner und die vielen Besucherinnen und Besucher der Stadt wurde es aber schon früher: Die Gerüste im unteren Bereich der Baustelle fielen im Sommer 2002 – die Frauenkirche „unten ohne“ zeigte sich bis zu 38 Meter Höhe erstmals in ihrer wieder entstandenen Form. Auf der Baustelle war man – in heutiger Zeit nahezu ein Wunder – der Zeit voraus, die Kirche wird eher fertig als geplant. Und wer das nicht wunderbar findet, mag über das zweite Detail nachdenken: sie wird mit 179 Millionen Euro kaum teuerer als geplant.
2003 waren davon bereits über 90 Millionen Euro an Spendengeldern eingeworben. In diesem Jahr kommen die Glocken und geben der Stadt das vielstimmigste Geläut Sachsens. Die Glocken mussten zweimal gegossen werden: Beim ersten Mal ging zwar während des Gießens alles gut, aber die Klangprobe brachte Dissonanzen. Zu viel Zierrat an den Glocken! Das ist neu, ursprünglich waren es nur Sprüche. Dissonanzen auch im Vorfeld zum Orgelbau: Sollte man sie so bauen wie weiland Silbermann oder ihr einen modernen Charakter geben? Soll sie in Sachsen gebaut werden oder außerhalb der Landesgrenzen? Gestritten wurde über alles, worüber sich streiten ließ. Heute ist keiner wirklich mehr böse über die Entscheidung, den angesehenen Orgelbauer Daniel Kern in Straßburg zu beauftragen.
„Wir sind jetzt so weit, wie sie 1738 beim Tod George Bähr auch war!“ sagte Baudirektor Eberhard Burger einmal – und nicht nur er denkt häufig an den Erst-Erbauer der Frauenkirche. Auch die Maurer, Zimmermänner, Steinmetze besinnen sich oft: „Wir haben hier Dinge geschafft, die wir vorher noch nie gemacht haben!“ sagt einer, und es schwingt deutliche Anerkennung mit.

Siehe auch Bericht über einen Besuch im Innern der Frauenkirche Anfang 2004 – mit Bildern von 1990 bis 2004


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