Es war einmal eine arme Stadt, die hat in diesen schweren Zeiten – und, liebe Leserinnen und Leser, ich weiß wovon ich schreibe, wenn ich diese Zeiten schwer nenne, denn sie sind auch an mir, einem von der Flut nicht direkt Betroffenen, aber in dritter Linie doch von ihr, weil die Kunden zum Teil direkt abgesoffen sind oder wenigstens früher von Leuten gelebt haben, die es dann im August waren und denen es deswegen nicht mehr so gut geht, abhängig bin oder genauer: gewesen bin, sozusagen Mitgenommenen, nicht vorüber gegangen - in diesen wie gesagt schweren Zeiten hat die Stadt Dresden mit dem Oberbürgermeisterdarsteller Ideen, die einem den kalten Schauer über den Rücken laufen lassen. Nein, hier geht es nicht um Schließung von Kindergartenplätzen, auch nicht um Kürzungen im Kulturbereich - es geht vielmehr um das Wohl der Anwohner, die sich schämen müssen - ja: schämen müssen - in Straßen zu leben, die nach Leuten wie Bertolt Brecht benannt sind oder in der Rudolf-Leonhard-Straße. Brecht dürfte bekannt sein: Ein notorischer Linker, genau. Und Leonhard in Nichts besser, ich meine: umfeldmäßig, denn auf Basis des Geschriebenen wollen wir die Beiden nicht vergleichen. Aber der Leonhard Rudolf war ein Anhänger Liebknechts, entnehme ich der Zeitung, und soll in der Weltbühne publiziert haben. Die war ja ganz schlimm, da haben ja auch Siegfried Jacobsohn und Kurt Tucholsky und Carl von Ossietzky gearbeitet, also mit rechten Dingen kann es da nicht zugegangen sein. Und der Weltbühne-Nachfolger, den die DDR sich leistete, hatte sein Büro sogar in der Karl-Liebknecht-Straße! Überhaupt Liebknecht! Und Karl Marx! Die braucht doch eine Stadt wie Dresden nicht zu verewigen! Also: Weg mit den Namen aus der Stadt und die Straßen umbenannt! Unverdächtige Personen wie der preußische General Finck oder der Herr von Carlowitz beziehungsweise so wesenstypische Bezeichnungen wie “Breiter Weg” oder “Flughafenstraße” sollen nach dem Willen der CDU die alten Namen ersetzen. “Politische Beweggründe”, schreibt die Zeitung, “weist die CDU von sich.” Ihr Sprecher Jürgen Eckhold hat übrigens schon von der ersten städtischen Säuberungswelle profitiert und gibt an froh zu sein, nicht mehr am Otto-Grotewohl-Platz leben und sich für seine Adresse schämen zu müssen.
Posted by Ulrich at 12.11.02 14:12 | TrackBack